Rogate

»Bittet!« oder »Betet!« lautet übersetzt der Name des sechsten Sonntags nach Ostern. Er ist nicht nur ein Fluchtpunkt der Besinnung und Buße in der sonst so freudigen Osterfestzeit, sondern hat einen ganz lebenspraktischen Hintergrund: die Bitte um gutes Wetter und gute Ernte – denn davon hing das Überleben der mittelalterlichen Bauerngesellschaft ab. Dieses Anliegen hat der Sonntag Rogate von den katholischen Bitttagen – die drei Tage unmittelbar vor Christi Himmelfahrt – übernommen.

Prozessionen und Allerheiligenlitaneien waren den Protestanten zeitweise so fremd, dass solche Bräuche von Landesherren abgelehnt oder gar verboten wurden. Die Menschen ließen sich die lebensnotwendige Bitte um gutes Wetter allerdings nicht nehmen. So wurde mancherorts als Ersatz eine »Hagelfeier«, ein Bettag ohne Prozession, eingeführt. Die Tradition des Erntebitttags trotz gesellschaftlicher Umbrüche beizubehalten, war die Entscheidung einer evangelischen Landeskirche 1968: Mit Blick auf Weltregionen, in denen der Überfluss an Lebensmitteln nicht so selbstverständlich ist, wird heute verantwortlicher Umgang mit der Schöpfung und gerechtes Wirtschaften zum Thema des Bittsonntags.

Oft wird der Sonntag Rogate in der evangelischen Kirche auch als Missionssonntag gefeiert. Versteht man Mission weniger als Bekehrung und mehr als Einsatz für globale Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung, so lässt er sich mit dem alten Anliegen der Bitttage gut in Einklang bringen.